Pfingsten

P         Peinliche Stille hatte sich unter ihnen eingenistet. Eigentlich hatten sie alles gewusst. Sie waren nicht im Unklaren geblieben, dass es einmal enden würde. Sie wussten, dass in diesem Leben nichts ewig bleibt. Aber es war so eindrucksvoll. Die Tage waren voller Leben und Freude, voller Herausforderungen und voller Überzeugungskraft. Ungeahnte Erfahrungen prägten ihre Tage.

F         Für sie war Gott keine eine graue Theorie, er war ihr täglicher Begleiter. Ihre Hoffnung war nicht mehr nebulös, sie hatte die Gestalt eines Menschen. Und Sie gehörten dazu. Das Leben war wunderbar und voller Wunder. So hätte es doch bleiben können.

I           Irgendetwas war falsch gelaufen. Wenn es diesmal keinen Judas gegeben hätte, einmal keinen Verräter, wer weiß, oder wenn er sich gewehrt hätte, wenn er sich mit aller Macht dagegen gestemmt hätte – aber er hatte sich aufgegeben. Er ließ es einfach geschehen, das Furchtbare. Er tat es aus Liebe.

N        Nein, schon damals wussten sie nicht recht wie sie sich verhalten sollten. Zu ihm stehen und mit ihm sterben, Abstand halten – es war ja nichts gewonnen, wenn sie auch leiden mussten – unsicher mogelten sie sich durch die Zeit. Am Ende hatten sie ihn beerdigt. Und mit ihm ihre Träume von einem Leben mit ihm. Natürlich ging das Leben weiter. Es war ihnen als wäre er mitten unter ihnen. So nah hatten sie ihn erfahren. Seine Gegenwart gespürt. Aber er war irgendwie auf Abstand gegangen. Fass mich nicht an, hatte er zu Maria Magdalena gesagt. Ein paar mal hatten sie ihn noch unter sich gespürt. Dann war er weg. Endgültig. Nichts atmete mehr seine

G        Grenzenlos war ihre Verunsicherung. Ihre Welt war aus den Fugen geraten. Nun war keiner mehr da, der ihnen den Weg wies. Wie sollten sie jetzt weiterleben, sie wussten nicht mehr wie das geht, einfach aus eigener Kraft. Und keiner war da, der ihnen einen Hinweis geben konnte.

S         Sie hatte manche Erfahrung gesammelt. Sie hatten einen guten Beruf. Aber da waren sie raus. Die alten Freunde – ob die gerade auf sie warteten? Und alle, die vorher dagegen gewesen waren – die konnten jetzt triumphieren. „Ich hab’s dir ja gleich gesagt, das geht nicht gut.“ Einfach zurück als wäre nichts gewesen, das war kein Ausweg. So warteten sie ohne zu wissen worauf.

T         Traumhaft kam der Tag der Klarheit. Du bist dran. Es gibt keinen anderen. Du musst dein Leben in die Hand nehmen. Du musst die nächsten Tage gestalten. Du hast alles, was du dazu brauchst. Sie spürten die Kraft wieder in sich und das Wunder geschah. Das Wunder, dass die Verunsicherten aufstanden und sich zu Wort meldeten. So deutlich, dass jeder sie verstehen konnte. Natürlich hatte Gott die Finger im Spiel.

E         Er hat immer die Finger im Spiel, wenn Menschen die Talsohle durchschritten haben und ihre Kraft wieder spüren und ihren Weg wieder vor sich sehen und den ersten Schritt gehen, diese erste Stunde vom Rest ihres Lebens mit ihrer Überzeugung füllen. Natürlich hat Gott die Finger im Spiel, wenn die Hoffnung ohne den Menschen auskommt, der ihr seine Gestalt geliehen hatte und wenn Gott  wieder ihr täglicher Begleiter wird, nur ganz anders und für den Rest ihres Lebens.

Sie standen auf. Sie machten einen Aufstand, gegen ihre Niedergeschlagenheit und gegen die Welt, die ihren Glauben verloren hatte. Sie standen und redeten. Sie standen und lebten, sie waren standhaft. Sie waren stark. Voller Geistesgegenwart. Sie waren voll des Heiligen Geistes, der sie vorwärts trieb.

N        Nun spürten sie ihre Aufgabe. Nun spürten sie ihre Möglichkeiten. Nun sahen sie wieder wozu sie fähig waren.

Gott lässt nicht zu, dass du dich ewig in dich zurückziehst. Er will dass du dich sehen lässt. Erkennbar wirst. Zeigst, wie du deine Niederlagen in einen neuen Aufbruch verwandelst. In einen Aufbruch voller Glaube, voller Hoffnung, voller Leben.

 

Freimut Bott 2008

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Christi Himmelfahrt

Hier in Jerusalem waren die Jünger geblieben. Genau wie Jesus es Ihnen gesagt hatte. Sie waren immer noch ganz durcheinander. Wie sollten sie das alles fassen können? Erst die Begeisterung beim Einzug in Jerusalem. „Hosianna“ hatte das Volk gerufen und wartete darauf, dass Jesus die Verhältnisse  änderte. Aber Jesus redete von Abschied. Und  von seinem Leib und Blut, die Vergebung bringen sollten. Dann der Verrat des Judas, der Prozess, und das Volk, das nur noch „Kreuzige“ rief. Es war das alte Lied. Es gab keine Rettung. Die Kreuzigung erlebten sie von Ferne. Das war das Ende. Schwer wie Blei lag die Trauer auf Ihnen.

Doch dann kam Ostern. Es war, als hätten sie ihn wieder. Er erschien ihnen, er aß mit ihnen, er gab ihnen Anweisungen und er half ihnen zu verstehen, was sein Sterben und Auferstehen zu bedeuten hatte. Ja, in den alten Schriften war alles schon angelegt. Es musste so kommen. Und sie sollten dafür sorgen, dass in Jesu Namen unter allen Völkern die Buße zur Vergebung der Sünden gepredigt wird.

Immer wenn er ihnen begegnete war es wie ein Stück vom Himmel. Es war anders als vorher, aber die Begegnungen mit ihm stärkten sie. Die Verheißungen würden sich erfüllen. Friede auf Erden und Friede zwischen Gott und den Menschen. Und ein neuer Anfang für alle, die ihn suchten. Es war wie ein Verstehen im Kopf. Ja, so stand es geschrieben.

Mit der Zeit kamen neue Fragen. Wie sollte es mit ihnen weiter gehen? Jesus hatte ihnen vieles gezeigt. Sie hatten es gehört, aber die Freude wollte nicht so recht bleiben.

Mehr und mehr spürten sie, dass sie noch nicht am Ziel waren. Sie waren noch auf dem Weg. Aber wohin sollte er sie führen? Die Ungewissheit lähmte sie. Sie mussten es einfach wissen. Und als er das nächste Mal in ihre Mitte trat, da fragten sie ihn: „Herr, stellst du in dieser Zeit das Reich für Israel wieder her?“ Und dahinter klang wohl die Frage: Zeigst du jetzt deine Macht? Ändern sich jetzt die Verhältnisse? Wird so unsere Hoffnung erfüllt?

„Es steht euch nicht zu, Zeiten und Zeitpunkte zu kennen, die der Vater allein weiß und festlegt“, antwortet Jesus ihnen. Sie bekamen keinen Zeitplan, keine Gewissheit. Ihr Vertrauen war gefragt und ihre Geduld. Aber er offenbarte ihnen den nächsten Schritt: „Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen und ihr werdet meine Zeugen sein, in Jerusalem und bis an die Enden der Erde.“

Als er das gesagt hatte, wurde er vor ihren Augen emporgehoben und eine Wolke nahm ihn auf  und sie konnten ihn nicht mehr sehen. Sie schauten in den Himmel, als könnten sie ihn mit ihren Blicken festhalten.

Langsam begriffen sie es: Er ist endgültig fort. 40 Tage waren seit Ostern vergangen, Tage in denen sie die hofften, es könnte so ähnlich bleiben wie früher. Sie wollten das Vergangene festhalten. Doch nun war es klar: Alles würde sich ändern. So wie sie es gewohnt waren, in Fleisch und Blut, würde er sich ihnen nicht mehr zeigen. War es nicht das, was er ihnen schon im letzten Abendmahl vermitteln wollte? Und doch hatte er ihnen zugesagt: „Ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“

Fort, er war fort. Aber neben sich hörten sie Stimmen. „Ihr Männer aus Galiläa, was steht ihr da und blickt zum Himmel? Dieser Jesus ist euch entzogen und zum Himmel hinaufgenommen worden. Wie ihr ihn zum Himmel gehen gesehen habt, so wird er kommen.“

Aber, was nun? Sie kehrten nach Jerusalem zurück. Sie sahen das Ziel noch nicht. Sie waren noch auf dem Weg. Aber sie hatten die Verheißung: „Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen.“

Hatte er sie nicht als Gemeinschaft zusammengeführt? Sie einander anvertraut? Mehr noch, er hatte in ihnen das Vertrauen zu Gott geweckt, das war es, was sie verband. Man fand sie nun täglich im Tempel, wo sie Gott lobten und priesen. Das gab ihnen neuen Antrieb.

Rückwärtsgewandt konnten sie nicht mehr leben. Ihrem Lobpreis sollten Taten folgen. Der Himmel l war Gottes Sache. Ihre Aufmerksamkeit galt nun dem Irdischen. Hier war ihre Aufgabe.

Tatsächlich. Sie ordneten ihre Verhältnisse. War ihnen nicht ein Apostel abhandengekommen? Judas war tot. Sie fanden zwei würdige Kandidaten. Sollte Gott ihnen zeigen, welcher der richtige sei. Und das Los fiel auf Matthias. Und so wurde er zu den elf Aposteln hinzugewählt. Der erste Schritt war gelungen. Sie waren zurück im Leben. Es sollte nur noch wenige Tage dauern, bis an Pfingsten der große Durchbruch kam, der Geist der Erkenntnis, der ihnen alles erschloss. Dann sollte die Botschaft ihre Herzen erreichen, dass sie anfingen zu predigen und zu sammeln und zu segnen.  (Vgl. Lk 24,36-53; Apg 1,1-26)                                                                                       

Freimut Bott 2012

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Ostern

O hne ihn war alles anders. Es war wie ein Schleier, der sie umgab. Das Licht der aufgehenden Sonne kam noch nicht über die Hügel. Und auch in ihr war alles dunkel. Wie sollte es nur weitergehen? Die Zukunft war ihr genommen. Die Gedanken waren gefangen. Die Bilder des Todes ließen sie nicht los. Er hatte seinen Frieden gemacht. Aber wie sollte sie Frieden finden, wo sie mit ihm doch alle ihre Hoffnungen begraben hatte. Ihr blieb nur noch dieser eine Weg, dieser letzter Liebesdienst, dann musste sie Abschied nehmen, von ihm und von dem Leben, an das sie sich so schnell gewöhnt hatte. Abschied nehmen von ihrem Lebensglück. Es ist vorbei. Doch sie war noch nicht bereit sich von ihm zu lösen. Die gemeinsame Zeit war so wertvoll gewesen, sie konnte ihm blind vertrauen, bei ihm fand sie Sicherheit und Stärke, bei ihm hatte letztlich sich selbst gefunden. Mit ihm konnte sie jedem Tag gespannt entgegensehen. Aber wer war sie ohne ihn?  Ihr einziger Halt war jetzt noch dieses Gefäß mir dem Salböl. Und dann das. Nicht einmal diesen letzten Liebesdienst konnte sie ihm tun. Der Stein war weggewälzt. Das Grab war offen und leer.

 S ie lief zurück, holte die Männer. Sie wollte doch wissen, wo man ihn hingebracht hatte. Aber die halfen ihr auch nicht weiter. Sie wussten auch keine Lösung, sie begriffen nichts. Auch sie sahen nur, dass das Grab leer war, dass nur noch die Tücher da lagen, in denen sie ihn bestattet hatten. Die Freunde gingen wieder zurück. Aber sie konnte sich noch nicht gehen. So nicht. Wie sollte sie auch.

Sie hielt sich an ihrem Öl und schaute in das Grab. Mit einem Mal war alles anders. Sie rieb sich die Augen. Sie sah zwei helle Gestalten und hörte eine Stimme: „Was weinst Du?“ Als ob man sich das nicht denken konnte. „Sie haben ihn weggenommen und ich weiß nicht wo er ist.“ Sie wandte sich um und da stand noch einer. Der Gärtner vielleicht? „Warum weinst Du?“, fragte auch er.

 T raurig und beharrlich erkundigte sie sich nach dem Leichnam, den sie suchte.

Da sprach er sie an, nannte sie beim Namen. „Maria!“ Und beim Klang seiner Stimme erkannte sie ihn. Sie viel vor ihm nieder. „Meister!“ rief sie. Jetzt schien ihr das Licht des Morgens direkt ins Herz. Die Hoffnung keimte wieder auf. Er war wieder da. Sie hatte ihn erkannt. Sie wollte ihn nie wieder gehen lassen. Sie gehörte doch zu ihm.

 E r ließ es ihr nicht zu. „Halte mich nicht fest, Rühr mich nicht einmal an.“ Es geht nicht mehr. Du bekommst das Vergangene nicht zurück! Du kannst dein Leben nur vorwärts leben. Du musst weiter gehen, ob du willst oder nicht.

 R ichte dich wieder auf! Er will nicht, dass du am Boden bleibst. Er will, dass du gehst. Er will, dass du lebst. Nichts war umsonst. Er schickt dich. Mach dich auf den Weg. Deine Zukunft wartet auf dich. In ihr kennst du dich nicht aus. und Vieles ist dir nicht vertraut. Da braucht vieles Mut. Aber du kannst dem Vergangenen nicht nachweinen, als wäre es begraben. Du trägst es mit dir auf deinem Weg in dieses neue Land,

in dem du wieder eine Heimat finden wirst. Du brauchst nicht das Ziel zu kennen. Aber steh auf und geh.

N imm alles was du in dir trägst. Die ganze Kraft und die reiche Fülle an Erfahrungen, die du mit ihm gemacht hast. Sie gehören dir. Sie werden dich begleiten und dir helfen. Sie sind die Quelle, aus der du schöpfen kannst. Steh auf. Den ersten Schritt hat er dir vorgegeben. Der Tod hat keine Macht mehr. Er ist auferstanden und auch du wirst das Leben wieder finden. Und das Licht dieses Morgens wird jedes Dunkel deines Lebens durchdringen. Alles wird anders. Aber du wirst die Kraft finden, den Weg zu gehen.

Freimut Bott 2009

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Karfreitag

 aum war der Tag angebrochen, da begannen sie wieder ihr finsteres Werk, Sie meinten es gut. Nur keine Unruhen im Volk, nur kein Aufstand. Aber das Gutgemeinte bedeutete für den einen den Tod. Die Hohenpriester hatten längst ihr Urteil gefällt. Aber so weit reichten ihre Kompetenzen nicht. Es ging nicht ohne den Statthalter der verhassten römischen Besatzungsmacht. So kam Pilatus in ein Spiel, das ihm nicht geheuer war. Er traute ihren Anschuldigungen nicht. Er wollte Jesus selbst verhören. „Bist du der König der Juden?“ So fragte er ihn.

ber Jesus antwortete nur: „Du sagst es.“ Zu allen anderen Anschuldigungen und Vorwürfen schwieg er. Pilatus wunderte sich. Es ging um seinen Kopf. Und doch blieb er stumm. Was für ein Fall! Eine Falle? Er hatte die Macht, aber das machte es nicht einfacher. Es war nicht richtig. Doch wer die Macht behalten will, darf sie nicht aufs Spiel setzen.

Wie konnte er diesen Angeklagten loswerden?

ichtig. Vielleicht konnte Volkes Stimme ihn retten. War nicht erst vor kurzem bei seinem Einzug in Jerusalem ihr „Hosianna“ bis in den Palast zu hören gewesen? Wenn er anbot ihn zum Passahfest zu begnadigen, dann würde das Volk dem schon zustimmen. „Wollt ihr, dass ich den König der Juden freilasse?“ So fragte er sie und er rechnete mit einem begeisterten „Ja!“  Aber er hatte sich getäuscht. Jeder für sich hätte vielleicht ein „Ja“ gefunden. Aber in der Menge war die Stimmung aufgeheizt, die Gemüter waren erregt. So hatten sie sich das nicht vorgestellt, Dass er sich einfach ergibt!

reiheit. Was war aus ihrem Traum geworden? Die politischen Verhältnisse hatten sich nicht geändert. Vielleicht machten das die Widerstandskämpfer in den Bergen doch besser als dieser Messias? Und als der erste rief „Barrabas, wir wollen Barrabas!“, da stimmten sie alle ein. Jetzt hängten sei ihre Hoffnungen wieder an die Kämpfernaturen.

Pilatus machte einen letzten Versuch: „Und was soll ich mit diesem Jesus machen?“ Da traf ihn die volle Wucht ihrer Rufe: „Kreuzige ihn!“

Es gab kein Entrinnen, für Pilatus, der sich an der Macht halten musste. Wie gern hätte er seine Hände in Unschuld gewaschen. War er nicht unschuldig? Hatte nicht das Volk das Urteil gesprochen? Er ließ Jesus in die Burg bringen und übergab ihn den Kriegsknechten. Das Verhängnis nahm seinen Lauf.

aue Gesellen waren diese Soldaten. Zu ihrem Sold gehörten auch die derben Späße, die ihnen mit den Verurteilten erlaubt wurden. Hohn und Spott für den, dessen Macht gebrochen war. Mantel und Krone als Zeichen der Niederlage. Und die Dornen gruben sich tief ein und jeder Schlag schmerzte an Leib und Seele. Keiner verfehlte sein Ziel. Schwach und kleingemacht musste er sich jetzt fühlen, vernichtet durch Schmach und Schande. Es war genug. Die Zeit zum Aufbruch war gekommen. Vor ihnen lag der Weg der Todgeweihten, hinauf nach Golgatha.

iner kreuzte seinen Weg. Für ihn war schon der kurze Moment des Zögerns zu lang. Ob Simon von Kyrene einfach nur das Mitleid ins Gesicht geschrieben stand? Welch ein Trost für den Gequälten. Aber schon zwangen sie Simon, den Kreuzesbalken hinaufzutragen. Ihre Geschicke wurden verwoben. Für Jesus war es ein Weg des Abschieds, voller Eindrücke, alles, was er sah, sah er das letzte Mal. Dann waren sie da. Den Wein mit der Myrrhe hatte er abgelehnt. Ohne Betäubung begann er das langsame Sterben. Wie viel hatte sich verändert zwischen Sonnenaufgang und 9.00 Uhr vormittags, als sie ihn kreuzigten?. Schneller lässt sich ein Prozess nicht führen, schneller eine Strafe nicht vollstrecken. Ob sie mit den beiden Mördern neben ihm auch so kurzen Prozess gemacht hatten?

mmer wieder gingen Menschen an dem Sterbenden vorüber. Riefen ihm Schmährufe zu. Enttäuscht. Entzaubert. Entsetzt. Sahen wie die Soldaten seine Habseligkeiten unter sich verteilten und um seine Kleider würfelten. Es wurde finster um ihn und auf Golgatha. Von Mittag bis 15.00 Uhr hielt die Dunkelheit an. Da sah keiner mehr eine Sonne. Da war kein Licht. Da war Verlassenheit und Todeskampf.

 otale Einsamkeit. „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen.“ So ließ Jesus die Worte des 22. Psalms anklingen. Alles war voller Sterben und Finsternis.

Totale Verzweiflung. Bis Jesus starb. Sein Lebensfaden war gerissen. Aber mit ihm riss auch der Vorhang im Tempel entzwei, der Vorhang, der das Allerheiligste vor den Blicken der Menschen schützte, die sie auf Abstand zu Gott hielt.

Ein Zeichen, das den Sinn andeuten konnte, ein Zeichen, das sein Sterben erträglicher machte. Er starb um Menschheit und Gottheit wieder zu vereinen. Um die Trennung zu überwinden. Durch seinen Tod war ein für allemal getilgt, was mit der Frucht vom Baum der Erkenntnis begonnen hatte. Wir können Gott wieder im Licht begegnen, trotz mancher Schuld, die auf uns lastet.

Als es Abend wurde, hatte einer ein Einsehen. Er konnte es nicht mit ansehen. Wenn er nicht rasch handelte, würde er über das ganze Fest dort hängen. Joseph von Arimathia fasste sich ein Herz und holte sich die Genehmigung ihn vom Kreuz zu nehmen und zu bestatten wie es sich gehörte. In einer Grabeshöhle, in den Felsen geschlagen. Er barg seinen Leichnam in Tüchern und bettete ihn zur letzten Ruhe. Nichts sollte diese Ruhe stören. Er wälzte den Stein vor das Grab. Es war vollbracht.

Ganz in der Nähe standen die Frauen. Sie waren immer in seiner Nähe geblieben. Mutig, traurig, verzweifelt. Sie kannten die Stelle, an der er lag. Noch mussten sie ihr Leid ertragen. Noch war die Botschaft verborgen im Grab, die Botschaft vom Sieg über den Tod, die Botschaft von dem Licht, in dem es kein Dunkel mehr gibt. Die Botschaft von dem Neuen Morgen des Lebens, Ostern.                    

Freimut Bott 2011

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Gründonnerstag

ar zu gerne hätten sie, wie alle anderen, einfach alles für das große Fest vorbereitet. Aber die Stimmung war gedrückt. Jesus hatte von Abschied gesprochen und von seinem Sterben. Dunkle Vorahnungen hingen in der Luft. Aber wenn Pessach kommt, muss man feiern, mit einem Stück von einem Lamm, das im Tempel geschlachtet wurde, das zu Hause gebraten und mit Vorspeisen, Wein und Gesang verzehrt wurde. Es war das Fest schlechthin, das Fest der Erinnerung an die Befreiung, die Gott ihnen geschenkt hatte, als der Auszug aus Ägypten gelang und sie durchs Meer hindurch den Weg in die Freiheit fanden, das Ende der Knechtschaft.

atlos, gingen sie zu Jesus. Sollte er ihnen sagen, wo sie das Fest vorbereiten konnten. Er schickte sie in die Stadt. „Ihr werdet einem Menschen begegnen, der einen Krug mit Wasser trägt. Wo er hineingeht, da sagt zu dem Hausherrn: Der Meister lasst fragen: Wo kann ich mit meinen Jüngern das Passamahl essen?“ tatsächlich trafen sie ihn. Er führte sie in einen Raum im Obergeschoß mit Polstern auf dem Boden, sie brauchten nur noch zusammentragen, was sie für die Feier brauchten. Alles war so einfach, seit sie mit Jesus unterwegs waren. Sie fühlten sich so frei und so sicher.

Ü ber den Vorbereitungen vergaßen sie fast die Zeit. Bald würden sie alle beisammen sein und miteinander feiern. Aber wie sollten sie die Befreiung des Volkes feiern, wenn der Boden unter ihren Füßen wankte. Nicht auszudenken, wie es mit ihnen weiterginge, wenn Jesus nicht mehr da wäre…

och ein letzter Handgriff. Da kamen sie auch schon und fanden ihre Plätze auf den Polstern. Da, als sie beisammen waren und aßen, sagte Jesus diese Worte, die ihnen die Kehle zuschnürten: „Einer von Euch wird mich verraten.“

as konnten sie sich nicht vorstellen. Einer ihrer Gegner, das wäre möglich. Aber von denen hier am Tisch – da kam keiner in Frage. Und wenn doch – plötzlich war sich keiner mehr seiner selbst sicher. Bin ich’s? Oder ich? „Einer von den Zwölfen, die mit mir die Hand in die gleiche Schüssel tauchen, wird mich verraten.“ Einer seiner besten Freunde. Einer, der sein Weggefährte war, einer, der alles miterlebt hatte, seine Worte und seine Taten

hne ihn konnten sie sich keinen Tag mehr vorstellen. Ohne ihn hätte alles seinen Sinn und seine Mitte verloren. Sie hatten sich doch ganz auf ihn eingelassen.

un nahm Jesus ein Brot. Er sprach das Dankgebet und brach es, gab es ihnen und sagte: Nehmt. Das ist mein Leib!

ach dem Brot nahm er den Kelch mit dem Wein, sprach das Dankgebet und gab ihnen den und sie tranken alle daraus und er sagte: Das ist mein Blut des neuen Bundes, das für viele vergossen wird. Ich werde keinen Wein mehr trinken, bis ich mit euch im Reich Gottes wieder zusammensitzen werde.

r wird sterben, ging es ihnen durch den Kopf. Er wird uns alleine zurücklassen. Aber er hatte ihnen ein Zeichen geschenkt, ein Zeichen das Mut machen, das sie stärken sollte. Als Mensch aus Fleisch und Blut war er seither bei ihnen gewesen. Aber jetzt sollten sie sich bei Brot und Wein an ihn erinnern. Wann immer sie geschwisterlich Brot und Wein teilten, ihre Hoffnungen und ihre Nöte, ihre Ängste und ihren Mut, da wollte er sie seine Gegenwart spüren lassen.

au blies ihnen der Abendwind ins Gesicht, als sie nach dem Lobgesang vor die Tür traten. Sie schlugen den Weg zum Ölberg ein.

chwer lagen die Schatten der Sorge auf ihren Herzen. Sie würden sich alle von ihm abwenden, hatte Jesus gesagt. Selbst Petrus könnte sein Versprechen nicht halten.

raurig und gebeugt folgten sie Jesus zum Garten Gethsemane. „Bleibt und wartet, bis ich gebetet habe.“ Nur Jakobus und Johannes und Petrus nahm er mit sich. Sie sollten mit ihm wachen und beten.

ber als er wiederkam schliefen sie. Die Sorgen und der Kummer hatten ihnen die Kräfte geraubt. In seiner Todesangst war Jesus allein. Könnt ihr nicht eine Stunde mit mir wachen und beten? Da kam auch schon Judas, der ihn verraten hatte. Die Kriegsknechte im Gefolge.

ott steh uns bei! Judas gab ihm tatsächlich einen Kuss. Als letzten Gruß oder als Erkennungszeichen für die Soldaten? In Ketten führten sie ihn weg. Sie taumelten. Gerade hatte sie sich noch an die Befreiung des Volks erinnert. Erst später sollten sie erkennen, dass damit die Befreiung anfing, die Befreiung aus der Macht des Todes. (Nach Mk 14,13-47)

Freimut Bott 2010

 

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Palmsonntag

P  almsonntag nennen wir ihn heute. Damals hatten die Leute das Passafest vor sich. Von überall her machten sich Pilger auf den Weg nach Jerusalem. Sie alle wollten zum Fest am Tempel sein und miteinander feiern. Jedes Kind kannte die Geschichte, kannte die Antworten auf die entscheidenden Fragen. Ja, damals hatte Gott sie aus der Sklaverei in Ägypten befreit. Damals hatte er sie erwählt und zu seinem Volk gemacht. Wie ein heimlicher König hatte Gott sie trotz allem Murren durch die Zeit in der Wüste geführt, hatte sie behütet, bewahrt und geleitet. Wer immer konnte machte sich auf den Weg um das Fest der Befreiung mitzufeiern.

A  uch Jesus und seine Jünger waren auf dem Weg nach Jerusalem. Sie waren nicht mehr weit von der Stadt, keine Stunde Weg entfernt, noch vor Bethphage und Betanien und dem Ölberg, da schickte Jesus zwei seiner Jünger mit diesem eigenartigen Auftrag voraus: „Geht in das Dorf. Schaut euch um. Ihr werdet sie schon finden, die Eselin, die da angebunden steht. Macht sie los und nehmt sie mit und bringt sie zu mir.“ Zweifelnd schauten sie ihn an. „Wenn euch jemand fragt, was ihr da mit dem Esel macht, dann sagt einfach: ‚Der Herr braucht ihn und schickt ihn bald wieder zurück.‘ Glaubt mir, sie geben ihn euch mit.“

L  os!, sagte der eine, dann machten sie sich auf den Weg. Sie fanden den Esel, er war nicht schwer zu finden. Sie machten ihn los. Die wütenden Blicke beantworteten sie mit ihrem: „Der Herr braucht ihn und schickt ihn bald zurück“ und brachten den Esel zu Jesus.

M  it einem leichten Schwung setzte sich Jesus auf den Esel. Das letzte Wegstück vor und durch Jerusalem zum Tempel wollte er reiten. Erst nahm kaum einer Notiz von ihm, aber dann ging es schon bald von Pilgergruppe zu Pilgergruppe und von Mund zu Mund:

S  chaut nur, da reitet einer auf dem Esel – wie ein König, so haben die Propheten den sanftmütigen König beschrieben, seht nur, es ist so weit. Wir warten schon so lange. Jetzt kommt er. Das muss er sein.

O  hne Frage. Einen besseren Zeitpunkt als das Fest der Befreiung konnte es ja nicht geben. Etliche sahen in ihm den, der sie von der Abhängigkeit von den Römern befreien würde. Er ist es. Jesus ist der Sohn Davids, er wird uns wieder stark machen, er, von dem sie schon so viel gehört hatten.

N  ach kurzer Zeit schon hörte man es vor ihm und  hinter ihm: „Hosianna, gepriesen sei, der da kommt im Namen des Herrn, Hosianna, dem Sohn Davids!“ Hosianna, der Ruf „Hilf doch“ klang schon wie ein: Er wird uns helfen, er wird uns so stark machen wie zu der Zeit als David unser König war und wir ein mächtiges und angesehenes Volk waren. Hoch geachtet und frei.

N  un fingen sie an Zweige von den Palmen zu schneiden und legten sie vor dem Esel auf den Weg, manche breitete ihre Kleider darüber. Aus Palmzweigen und ihren Kleidern breiteten sie den „Roten Teppich“ für „ihren König“ aus, für den, der ihre Hoffnungen und Sehnsüchte erfüllen sollte.

T  atsächlich waren einige da, die ihn erkannten. „Das ist der Prophet Jesus aus Nazareth in Galiläa.“ Aber eigentlich warteten sie nicht auf einen Propheten. Sie sehnten sich nach einem, der alle ihre Not und alle ihre Schwierigkeiten von ihnen nehmen würde, und je lauter ihr Jubel wurde, desto größer wurden ihre Erwartungen. Und je größer die Erwartungen, desto größer konnte auch die Enttäuschung werden, wenn es anders kam

ber Jesus hielt sich nicht lang mit dem Volk auf. Ihn zog es zum Tempel. Er stand, einem der Weltwunder gleich, majestätisch auf dem Berg, dem Zion. Ein Ort der Anbetung. Ein Ort des Glaubens, ein Ort, an dem sie Gott nahe sein konnten. Ob sich Jesus das erhoffte?

G  räßlich klang der Lärm in seinen Ohren als er in den Vorhof trat. Das Schreien der Geldwechsler und Händler, das Geschrei der Tiere, Das Handeln und Feilschen. Jesus geriet in Rage. Er stieß die Tische der Kaufleute um „Der Tempel soll ein Bethaus sein für alle Völker, aber ihr habt eine Räuberhöhle daraus gemacht!“ Weit wird er nicht gekommen sein in seinem heiligen Zorn. Aber weit genug für eine erste Irritation, eine erste Enttäuschung bei etlichen im Volk. Jesus ging und zog sich nach Betanien zurück.

Freimut Bott

 

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